Ein Brot für freies Saatgut

Vor den Toren Kölns hat im Rheinischen Revier längst einer der größten Transformationsprozesse dieses Jahrhunderts begonnen: mit dem Braunkohleausstieg wird sich die Region in den kommenden Jahrzehnten drastisch verändern.

Wie sieht diese Zukunft aus? Und wie kann der Wandel als Chance für die Land- und Ernährungswirtschaft gestaltet werden?

Ein Schlüssel zur Lösung ist eine Land- und Ernährungswirtschaft, die stärker auf regionale Märkte ausgerichtet ist.

Aber was heißt das genau?

Schauen wir uns das Beispiel Getreide an: Pro Kopf essen wir in Deutschland etwa 20 kg Brot (Quelle: Deutsches Brotinstitut e.V.). Allein in Köln sind das 21.000 Tonnen, das Rheinland kommt auf 180.000 Tonnen! Praktisch also, dass vor unserer Haustür so viel Getreide angebaut wird: Als Teil der traditionsreichen rheinischen Fruchtfolge ist Getreide Jahr um Jahr die bedeutendste Ackerfrucht in NRW, mit einem Anteil von über 50% am gesamten Ackerland, auch im Rheinischen Revier.

Aber: Leider kommt das hier tagtäglich verzehrte Getreide zum größten Teil gar nicht aus der Region, teils nicht mal aus Deutschland. Gleichzeitig landet das Getreide aus dem Rheinischen Revier zu Niedrigpreisen auf demselben anonymen Weltmarkt. Am Ende kommen so nur 4% von dem Geld, was wir für ein Brot bezahlen, tatsächlich bei den Landwirt:innen an.

Da kann doch was nicht stimmen, finden – Finden wir auch.

Da muss man doch was machen? – Tun wir.

Mit dem Brot für freies Saatgut schließen wir nicht nur eine regionale Wertschöpfungskette, sondern schützen auch noch Saatgut vor der Privatisierung! Zusammen mit der Initiative OpenSourceSeeds, einem landwirtschaftlichen Betrieb, einer Mühle und einer Bäckerei- alle hier aus der Region – demonstriert die Aktion, wie Beteiligte der gesamten Wertschöpfungskette ihre Kräfte bündeln, um Saatgut als Gemeingut zu erhalten und zu verbreiten.

Über Jahrtausende war Saatgut ein Gemeingut. Doch heute wird es immer weiter privatisiert, indem Patente und Sortenschutz geltend gemacht werden. Dies hat zu Monopolbildung geführt, denn inzwischen kontrollieren drei internationale Chemiekonzerne mehr als 60% des kommerziellen Saatgutmarktes. Dadurch wird der freie Zugang zu Zuchtmaterial immer weiter eingeschränkt und die Landwirtschaft wird zunehmend einheitlicher. Die Vielfalt von Kulturpflanzen und ihren Sorten geht mehr und mehr verloren. Dieser Prozess bedroht unsere Zukunft, denn Saatgutvielfalt ist die Grundlage…

… für die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel,

… für weniger chemischen Pflanzenschutz und Mineraldünger auf dem Acker,

… für die Ernährung von erwarteten 11 Milliarden Menschen.

Um noch vorhandene Vielfalt zu erhalten und neue zu schaffen, muss Saatgut wieder für alle frei zugänglich sein. Mit der Open-Source Lizenz für Saatgut zeigt OpenSourceSeeds einen neuen Weg auf, Saatgut vor Privatisierung zu schützen. Ein neuer, gemeinnütziger Saatgutsektor soll entstehen.

Die Lizenz basiert auf den Open-Source Regeln der freien Softwarebewegung:

  • Alle dürfen das Saatgut nutzen
  • Niemand darf das Saatgut oder seine Weiterentwicklungen privatisieren
  • Zukünftigen Empfänger:innen werden die gleichen Rechte und Pflichten übertragen

Damit verhindert die Lizenz die Privatisierung von Saatgut durch Patente und Sortenschutz und schützt es langfristig als Gemeingut. Vielfalt kann wieder neu entstehen – in der Pflanzenzüchtung, auf dem Acker und dem Teller.

Wie uns ein Brot dabei helfen kann

„Engagiere Dich gegen Saatgut-Multis, einfach indem Du ein Brot kaufst!“

Schon 2021 sollte in Kooperation mit zwei Kölner Bäckereien die Aktion „Ein Brot für freies Saatgut“ durchgeführt werden. Doch die aktuellen Krisen haben gezeigt, wie anfällig unser Ernährungssystem ist. Die steigenden Energiekosten machen insbesondere den Bäckereien Probleme, wo Kosten an die Verbraucher:innen weitergeben werden. Das führt wiederum zu einer Verringerung im Backwarenkauf, wodurch neue Projekte wie das Open-Source-Brot aktuell ein wirtschaftliches Risiko bedeuten. Mehr denn je führen uns die aktuellen Krisen also vor Augen, wie sehr wir eine regionale undLandwirtschaft brauchen.

Doch nach zwei Jahren konstanter Arbeit ist es endlich so weit: für einige Monate wird nun ein besonderes Brot verkauft. Bäckereien verarbeiten das hochwertige Mehl des Open-Source-Weizens Convento C. Convento C ist eine ökologisch gezüchtete und open-source lizensierte Weizensorte, genauer gesagt eine Population. Anders als eine gewöhnliche Liniensorte ist sie genetisch vielfältiger, was im Ergebnis bedeutet, dass der Weizenbestand im Feld robuster gegenüber Krankheiten und extremen Wetterlagen ist. Darüber hinaus besitzt Convento C hervorragende Backeigenschaften.

Eine die Vielfalt fördernde Pflanzenzüchtung kann sich nicht über Patente oder Sortenschutzgebühren finanzieren. Hier ist die Gesellschaft als Ganzes gefragt. Mit der Abschöpfung eines “Züchter-Cents” erproben wir eine Möglichkeit, diese Lücke nach und nach zu schließen. Mit dem Kauf eines Open-Source Brotes kann  jede:r Verbraucher:in dazu beitragen. Pro Kilo Open-Source Mehl fließen 10 Cent in eigentumsfreie Züchtungsprojekte.

Das Open Source Brot Projekt in Köln wurde initiiert im Rahmen des Projekts Setup Food Strip. Das Kooperationsprojekt der RWTH Aachen, der FH Südwestfalen und dem Ernährungsrat für Köln und Umgebung e.V. hat eine Land- und Ernährungswirtschaft zum Ziel, die stärker auf regionale Märkte ausgerichtet ist.

 

 

Familie Laufenberg

Wer sind Sie und wo ist Ihr Standort, wer oder was steckt dahinter, was produzieren Sie und woher kommt Ihre Leidenschaft, für das, was Sie tagtäglich tun?

Wir sind Peter Laufenberg, Landwirt, Stephanie Laufenberg, Gartenarchitektin und Gärtnerin und Tochter Louisa, Schülerin.
Unser Betrieb liegt ca. 30 km westlich von Köln, im idyllischen Örtchen Nörvenich-Wissersheim. Wir produzierten Rüben, Weizen, Dinkel, Erbsen, Mais und Gerste, sowie Blüh- und Naturschutzflächen.

Wir sind ein Vollerwerbsbetrieb, haben einen kleinen Hofladen und verkaufen Brennholz. Hühner, Schafe, Gänse, Katzen und ein Hund wohnen auch bei uns. Die Leidenschaft wurde uns schon in die Wiege gelegt. Wir lieben die Natur und die Tiere. Wir könnten uns nichts Anderes vorstellen.

Was hat Sie überzeugt, am Projekt „Ein Brot für freies Saatgut“ teilzunehmen?

Wir wollen neue Wege für unsere Landwirtschaft einschlagen. Durch das Projekt OpenSourceBrot erhalten wir gentechnisch freies Saatgut. Damit fördern wir die Sortenvielfalt und tragen dazu bei, ein Ende der Saatgutmonopole herbeizuführen.

Was für ein Brot/Brötchen haben sie am liebsten sonntags auf dem Frühstückstisch?

Wir mögen am liebsten Vollkornbrot und Vollkornbrötchen.

Horbacher Mühle

Wer sind Sie und wo ist Ihr Standort, wer oder was steckt dahinter, was produzieren Sie und woher kommt Ihre Leidenschaft, für das, was Sie tagtäglich tun?

Wir, die Horbacher Mühle, sind ein Familienbetrieb mit langer Tradition. Bereits in 4.Generation vermahlen wir das Korn in einem besonderen Verfahren zu Mehl. Hierbei setzen wir das sogenannte Kurzhochmahlverfahren ein, ein schonendes Verfahren, bei dem die wertvollen Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Unser Mehl ist zu 100% naturbelassen und damit besonders verträglich.

  • Handwerklich hergestelltes Mehl
  • Aus unserem Familienbetrieb
  • Unsere Tüten werden noch von Hand beklebt, genäht und gefüllt
  • Wir verwenden Getreide aus der Region
  • Umweltfreundliche Verpackung und Versand
  • Unsere Mehle, Schrote, Körner, etc. sind zu 100% naturbelassen
Was hat Sie überzeugt, am Projekt „Ein Brot für freies Saatgut“ teilzunehmen?

Unser Getreide beziehen wir von Landwirten aus der Region aus kontrolliert-integriertem Anbau. Es wird dabei organischer Dünger (z.B. Mist, Kompost) verwendet. Zudem haben mechanische, biologische Verfahren beim Pflanzenschutz Vorrang vor dem Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel. Es ist für uns sehr wichtig zu wissen woher das Getreide stammt und wie es angebaut worden ist.

Als Saatgut wird ausschließlich sortenreines und zertifiziertes Saatgut verwendet. Ganz wichtig ist uns hierbei die Verwendung von gentechnikfreiem Saatgut. Da wir unsere Produkte auch selbst verzehren, ist uns gerade der letzte Punkt außerordentlich wichtig.


Bäckerei Fritzen

Wer sind Sie und wo ist Ihr Standort, wer oder was steckt dahinter, was produzieren Sie und woher kommt Ihre Leidenschaft, für das, was Sie tagtäglich tun?

Mein Name ist Mario Fritzen. Ich bin seit fast 18 Jahren Inhaber der Kürtner Landbäckerei. In den ersten Jahren habe ich die Bäckerei wie mein Vorgänger klassisch geführt. Nach und nach wurde mein Programm um Vollkornbackwaren, Dinkel und Urgetreiden erweitert und umgestellt. Unweigerlich bin ich dadurch auf die Erzeugergemeinschaft „bergisch pur“ gestoßen und bin dort Mitglied.

Als Bäcker mit und aus Leidenschaft kann ich nicht genug bekommen neue Rezepte und Rohstoffe auszuprobieren.

Was hat Sie überzeugt, am Projekt „Ein Brot für freies Saatgut“ teilzunehmen?

Regional bedeutet auch sich zu vernetzen. So habe ich von dem Projekt „freies Saatgut“ erfahren. Der Rest ist wieder meine Leidenschaft…

Was für ein Brot/Brötchen haben sie am liebsten sonntags auf dem Frühstückstisch?

Das fragt Ihr einen Bäcker…

 

Bäckerei Boveleth

Wer sind Sie und wo ist Ihr Standort, wer oder was steckt dahinter, was produzieren Sie und woher kommt Ihre Leidenschaft, für das, was Sie tagtäglich tun?

Mein Name ist Guido Boveleth, ich bin verheiratet und Vater von 2 erwachsenen Töchtern.

Ich bin leidenschaftlicher Bäckermeister und führe unsere Handwerksbäckerei in vierter Generation. Unsere Backstube ist seit 1911 in Bedburg/Kirchherten. Seit 2007 haben wir neben dem Laden unter dem Nussbaum wieder einen Holzbackofen, in dem wir jede Woche backen. Seit 2015 haben wir auch noch eine Filiale mit Café in Bedburg/Kaster. In meiner Freizeit bin ich Obermeister der Bäckerinnung Köln-Rhein-Erft-Kreis, im Meisterprüfungsausschuss der Handwerkskammer zu Köln und auch im Vorstand des Landesinnungsverband.

Meine Leidenschaft für meinen Beruf kommt daher, dass im Bäckerberuf alle Sinne verwöhnt werden und es sehr kreativ und abwechslungsreich zugeht. Man arbeitet mit Kollegen und kann sich permanent unterhalten. Es müssen ja nur die Hände gehen.

Was hat Sie überzeugt, am Projekt „Ein Brot für freies Saatgut“ teilzunehmen?

In erster Linie Neugierde. Als leidenschaftlicher Bäckermeister bin ich grundsätzlich an jeder Art Abwechslung interessiert. Als Obermeister meiner Innung möchte ich auch für meine Kollegen wissen was draußen passiert und wie wir uns weiter entwickeln können.


Was für ein Brot/Brötchen haben sie am liebsten sonntags auf dem Frühstückstisch?

Ich habe zwar den schönsten Beruf der Welt, doch sonntags frühstücke ich in der Backstube im Stehen, meist wenn ich für Montag den Pudding koche.

 

Ernährungsrat Köln